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Von Luxus in der Arktis bis zur Bushaltestelle für ein Terminal – Branche diskutiert aktuelle Kreuzfahrtthemen auf dem 6. EBC Cruise Talk

 

Nach einer Begrüßung durch Präsident Johann Stooß und den hafenpolitischen Sprecher der SPD in der Hamburger Bürgerschaft, Dr. Joachim Seeler, ging das Hamburger Kreuzfahrtevent EBC Cruise Talk am 27. April 2017 in seine bereits sechste Runde. Und auch in diesem Jahr fanden sich mit den beiden Themen „Hafenplanung – wie viel Kreuzfahrt will Hamburg?“ und „Expeditionskreuzfahrt – Bringt der Bau-Boom den Markt durcheinander?“ wieder zwei Fragestellungen, welche die Kreuzschifffahrtsbranche umtreiben.

Moderator Oliver Schmidt eröffnete die Diskussion mit einem kurzen Rückblick auf seine erste in Hamburg startende Kreuzfahrt vor gut 30 Jahren und schilderte, dass man damals den Eindruck gehabt hätte, dass des nachts am Terminal noch schnell die Getreidesäcke zur Seite geräumt würden, um noch vor dem Eintreffen der Kreuzfahrer pünktlich den roten Teppich auszurollen. Ganz so stelle sich die Situation heute nicht mehr dar, seit mit der AIDA die Kreuzschifffahrt in Hamburg eine im besten Sinne „dramatische Entwicklung“ hingelegt hätte, so Prof. Norbert Aust, Vorsitzender des Hamburger Tourismusverbandes.

Terminals, Emissionen, Energie

Drei Themen stellten sich im Verlauf der Diskussion als die am kontroversesten diskutierten Fragestellungen heraus – erstens die Frage, wie sich die Situation der Terminals besser lösen ließe, zweitens die zunehmende Belästigung durch Emissionen der Schiffe und drittens – damit zusammenhängend – die Energieversorgung der Schiffe.

Zur Infrastruktur des Hamburger Hafens befragt, betonte Ralf Niedmers, Fachsprecher für Hafenwirtschaft der CDU-Bürgerschaftsfraktion, dass die Stadt es als ihre Kernaufgabe ansehen müsse, infrastrukturelle Voraussetzungen zu schaffen, damit die Wirtschaft im Anschluss tätig werden könne. So forderte er einen konkreten Wachstumsplan, um dem Hafen als wesentlichem Wirtschaftsfaktor der Stadt gerecht zu werden.

Dr. Joachim Seeler setzte dem entgegen, dass immer mehr Reedereien Hamburg anlaufen würden und diese Entwicklung nicht stattgefunden hätte, wenn die Stadt nicht die notwendigen Rahmenbedingungen dazu geschaffen hätte. Das Problem sei vielmehr, dass der Hafen wegen seiner herausragenden Stadtlage enorm beliebt sei, diese Lage aber gleichzeitig das Problem mit sich bringe, dass die Emissionen der Schiffe die Luft in der Stadt belasteten. Bezüglich der Stromversorgung sah er die Verantwortlichkeit eher bei den Reedereien, deren Schiffe oftmals den von der Stadt bereitgestellten Strom nicht abnehmen könnten. Welche der drei angebotenen Strom-Techniken (Landstromversorgung am Terminal Altona, LNG Versorgung am Terminal Steinwerder und mobile Stromversorgung durch die Power Barge) sich letztendlich durchsetze, werde der Markt zeigen, so Seeler.

Fjordreisen ohne Hamburg?

EBC-Absolvent und Buchautor Alexander Holst war sich sicher, dass die Reedereien die Stadtlage des Hamburger Hafens und die Lage der Terminals unterschiedlich beurteilen würden. Der von seinen Vorrednern gelobten Stadtlage setzte er entgegen, dass diese auch nachteilig sein könne, da viele Reedereien ihre Landausflüge verkaufen wollten und die kurze Entfernung zur Innenstadt ein solches Landgang-Paket in Hamburg überflüssig mache. Zudem hätte Hamburg mit einer hohen Verkehrsbelastung zu kämpfen, so dass am Flughafen ankommende Kreuzfahrttouristen oft im Stau steckenblieben, bevor sie es überhaupt auf ihr Schiff schafften. Dies stelle die Reedereien vor logistische Herausforderungen.

Mit einem zwinkernden Auge fragte Moderator Schmidt im Anschluss, welche Meinung Hardy Puls, Country Manager von Costa Kreuzfahrten dazu hätte, da diese Reederei Hamburg schließlich nur fünf Mal im Jahr anlaufe. Dieser betonte, dass es nicht an der Stadt läge, sondern die Reederei vielmehr Geschichten erzählen wolle und man daher im Einzelfall entscheiden müsse, wie viel Stadt man in einer „Fjord-Reise für Italiener“ unterbringen könne. Auch die Situation der weit verstreut liegenden Terminals sah er als nicht abschreckend an, man kenne das schließlich von Mittelmeerkreuzfahrten oder selbst von Städten wie Göteborg, wo man im Containerhafen liege. Eine bessere Anbindung durch den öffentlichen Nahverkehr, konkret eine Bushaltestelle, fände jedoch auch er interessant, betonte aber, dass dies nur ein Puzzlestück im großen Ganzen sei.

Perspektiven für den Wirtschaftsfaktor Hafen

Wie man diese Situation lösen könne, dazu hatte sich auch schon Tourismusverbandsvorsitzender Prof. Aust Gedanken gemacht. Er präferierte eine Fährverbindung auf die andere Elbseite, wo man das Terminal entsprechend groß ausbauen und so den Ansprüchen einer modernen Kreuzschifffahrt gerecht werden könne. Beispiele finde man z.B. in Amsterdam, wo dieses Konzept hervorragend funktioniere. Diese Lösung erfordere jedoch eine attraktivere Anbindung an die Nordseite, da der alte Elbtunnel für die Zukunft ungeeignet sei. Außerdem warf er ein, dass möglicherweise die bekannte Parole „Niemand fasst den Hafen an“ überdacht und eine Perspektive für die nächsten 20 Jahre entwickelt werden müsse. „Ich bin mir sicher, dass sich der Hafen drastisch verändern wird“ so der langjährige Touristiker. Investitionen und Weiterentwicklung seien nötig, denn immerhin sei der Tourismus mit über 100.000 Beschäftigten in der Stadt einer der größten Wirtschaftsfaktoren.

Nach der Möglichkeit befragt, ob sich noch einmal die Chance auftue, die gesamte Kreuzschifffahrt an einem Terminal zu bündeln, fiel die Antwort von Ralf Niedmers von der CDU eindeutig aus. Die ursprünglich für Olympia geplanten Flächen am kleinen Grasbrook seien immer noch Hafenfläche und blieben weiterhin für eine spezifische Hafennutzung erhalten. Die Chance für den großen Wurf sei also da, der Plan dazu müsse einfach mal ausgearbeitet werden.

Der Traum von „overnight“ in Hamburg

Zum Ende der Diskussion durften alle Teilnehmer ihre Wünsche für die Zukunft des Hafens formulieren. Für Aust stand dabei die Etablierung Hamburgs als Wechselhafen an erster Stelle, statt als Zielhafen, wie es aktuell der Fall ist. So betonte er, dass es kaum eine schönere Einfahrt in einen Hafen gäbe, als den nach Hamburg – höchstens vergleichbar mit Venedig oder New York. Ein Verbleiben „overnight“ der Kreuzfahrtschiffe und eine Umwandlung des Hafens in einen Erlebnishafen würde die Attraktivität der Stadt noch sichtbarer machen. Insgesamt solle die Kreuzfahrt einen noch größeren Stellenwert in der Stadt einnehmen und auch politisch eine größere Wahrnehmung erfahren, da sie einer der größten Wirtschaftsfaktoren mit enormen Zuwachsraten sei.

FDP-Sprecher Kruse brachte seine Wünsche an die Verantwortlichen nochmal zum Ausdruck, indem er einen konkreten Hafenentwicklungsplan forderte, der auch die Kreuzfahrt einschließe, denn diese fehle im aktuellen Entwicklungsplan. Mit der Hafenentwicklung der nächsten fünfzehn Jahre im Blick, in die man gleichermaßen die Kreuz- wie auch die Containerschifffahrt miteinbeziehe, wünschte er sich statt vieler Einzelschritte einen umfassenden Plan, der Zwischenlösungen wie das Terminal in Steinwerder, mit dem man sich nur etwas Zeit erkauft hätte, überflüssig mache. Eine Clearingstelle, die sowohl Wirtschafts- als auch Umweltbehörden im Blick habe, könne an dieser Stelle als „Projektleiter“ auftreten.

SPD-Abgeordneter Seeler forderte, dass man sich nicht ständig auf Probleme, sondern endlich mal auf Chancen fokussieren solle. Sich Fragen zu stellen wie „Wieso liegt Hamburg nicht an der Nordsee“ bringe nichts. Die Kreuzfahrt sei integraler Bestandteil des Tourismuskonzeptes in Hamburg und man könne sehen, dass sich der Markt für die Stadt und den Hafen entschieden habe.

Luxusschiffe am Nordpol

Nach einer kurzen Teepause wechselte das Thema vom hohen Norden in die Arktis. Mit der Frage nach den immer spektakulärer gestalteten Expeditionskreuzfahrten und der damit einhergehenden Ausstattung der Schiffe, wurde ein weiteres aktuelles Thema an diesem Nachmittag lebendig diskutiert.

Nike Hornbostel von der Kreuzfahrtagentur GoCruise erklärte, dass der Wunsch nach Exklusivität bei Expeditionskreuzfahrten weit oben stünde. Bei wachsenden Passagierzahlen stünde man vor der Problematik, dass bis dato exklusive Gebiete in Folge der größer werdenden Schiffe an Attraktivität einbüßen würden. Zusammengefasst formulierte sie: „Je größer die Schiffe, desto unexklusiver die Ziele.“

Der Geschäftsführer des auf Luxusreisen spezialisierten Anbieters Vista Travel Mathias Moldenhauer setzte dem entgegen, dass seiner Kenntnis nach die Exkursionsschiffe nicht signifikant in ihrer Größe wachsen würden, sondern lediglich veraltete Schiffe durch neue ersetzt würden. Es seien zwar 30 neue Exkursionsschiffe angedacht, wie viele davon jedoch jemals umgesetzt würden, stehe in den Sternen.

Erhebungen des Institutes für Transportation Design in Braunschweig schätzten die Entwicklungen im Markt anders ein, so Mehdi Mozuni, Doktorand am Institut. Ab dem Jahr 2030 würde sich der Trend zu immer größeren Schiffen umkehren, die Gäste würden dann Wert auf kleine, agile Schiffe legen, die flexibel auf die mitunter auf See schnell auftretenden Veränderungen reagieren könnten.

Wunsch nach Flexibilität und Einbindung

Dem pflichtete Talkgast Kapitän Klaus Mewes bei: „Die Gäste wollen heute verstärkt kleine Schiffe, ohne Dauer-Animation. Ein guter persönlicher Service, ein nahbarer Kapitän mit teils sogar geöffneter Brücke, das sind die Dinge, die die Zielgruppe heute erwartet. Die Gäste wollen integriert werden, das zeigen auch unsere Ratings.“ Zudem betonte er die von Mozuni bereits erwähnte Flexibilität: „Kleine Schiffe sind viel anpassungsfähiger. Wenn klimatische Bedingungen es erfordern, und die geplante Route nicht befahrbar ist, kann ein kleines Schiff schnell umdisponieren und z.B. auch eben mal die Seine hochfahren – das können die Kreuzfahrtriesen nicht.“

Kleine Schiffe und begrenzte Passagierzahlen befürwortete auch Prof. Dr. Helmut Gärtner, Professor für Umweltbildung an den Universitäten Hamburg und Erfurt: „Gäste die auf Exkursionskreuzfahrt gehen, wollen etwas lernen. Ich hatte um die 300 Personen an Bord bei den Vortragsreihen ‚Umweltbezogene Allgemeinbildung auf Kreuzfahrten an Seetagen‘, in dieser Größenordnung fühlen sich die Menschen wohl“.

Nike Hornbostel gab zu Bedenken, dass sich ab einer gewissen Größe tatsächlich die Frage abzeichne, ob das überhaupt noch als Exkursion zu bezeichnen sei. In der Arktis dürfe ohnehin nur eine begrenzte Menge von Gästen an Land, so dass übergroße Schiffe hier gar keinen Sinn machten. Allgemein sei auch die Nachfrage nach „leichter Exkursion“ mit circa 1.000 Teilnehmern viel größer, als die nach tatsächlicher Expedition, die sich auf circa 200 Personen beschränke.

Die Exklusivität von kleinen Schiffen sah auch Vista Travel-Geschäftsführer Moldenhauer vorn. Dies sei auch im Luxussegment gewünscht. Zwar erhöhe sich die Tonnage der Schiffe, da die Schiffe sich zu kleinen Luxusschiffen mit Hubschrauber und U-Boot an Bord hin entwickelten, die Passagierzahlen blieben jedoch fast konstant.

Die Zukunft heißt Umweltverträglichkeit, Innovation und Digitalisierung

Abschließend gab Mehdi Mozuni einen Ausblick auf das, was die Forschung im Kreuzfahrtmarkt momentan vorne sieht – die Top-Themen seien Green Cruising, Pressure to innovate sowie Digitalisierung. Dies seien die Dinge, die sich Passagiere heute von Reedereien wünschen.

Der EBC Cruise Talk schloss mit einem formlosen Get together in der Lounge und auf der Dachterrasse der Hochschule und bot zahlreiche Gelegenheiten für den Austausch unter Studierenden, Branchenprofis und Gästen.

Hinweis: Dieser Beitrag stammt aus unserem Archiv der Pressemitteilungen der Kreuzfahrt-Anbieter - eine Überprüfung oder Bewertung der Inhalte durch cruisetricks.com findet nicht statt.